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Ukigusa - Floating Weeds (JPA 1959, Y. Ozu)

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Beitrag von Admin Mo Sep 02, 2019 2:37 pm

gesehen am 14.09.2006 und 20.02.2010 (DVD), 09.05.2011 (Kino: JKI Köln), 4/5

Aus dem Fluss, in dem Vater und Sohn angeln, wird das Meer. Farbig wehen die Fahnen der Darstellertruppe über dem Theater. Beschwingt die Musik, zunächst jedenfalls, bei der Ankunft der Schauspieler. Aber dieselbe Geschichte, ganz dieselbe, 26 Jahre später. Nicht derselbe Fluss, in den man steigt, aber ein ähnlicher. Sie stehen sich wieder gegenüber, unterm Vordach der niedrigen Häuser, der Theaterleiter und seine Geliebte, dazwischen prasselt der Regen. Und auch das Ende: der fahrende Zug, der Abschied als Aufbruch, Wiederholung nahe am Identischen.

Es zeigt sich aber, jetzt, beim zweiten Sehen mit Variationen, oder doch erst in der neuen Version - wer könnte es sagen -, wie stark hier alles am Theater hängt, als dem Treibsand, auf den es die Beziehungen der Menschen baut, die als floating weeds durch Zeit und Raum treiben, unverankert, richtungslos. Genau darin fällt diese Geschichte, die Ozu zweimal erzählt, heraus aus dem Rest seines Oeuvres, als ihre Verschärfung ins Grundsätzliche: es geht hier um Abschied in Permanenz; das Zuhause, die Familie, das Ankommen sind nichts als ein flüchtiger Traum. Nach geschlagenen zwölf Jahren kehrt der Vater zurück zur Mutter seines Sohnes, zum Sohn, der jetzt erwachsen ist, der ihn als Onkel kennt. Und die Truppe selbst, die Ersatzfamilie: auf der Suche nach amourösen Abenteuern immerzu, drei Schauspieler sitzen am Strand, erinnern sich an dieselbe Frau mit dem Muttermal - und müssen erkennen, dass ihre Liebe so singulär je nicht war. Dann einer dieser Blicke ins Leere, sei es, wie hier, in den Himmel, sei es auf Bäume und Natur, die für die Balance des Ozu-Films so wichtig sind. Blicke, die nichts zu bedeuten haben und noch nicht einmal ihr Nicht-Bedeuten bedeuten. Sie sind die Leere selbst, ein langer, ruhiger Atemzug, Stoff und Form zugleich, Aussagesätze ohne Aussage, man landet beim Versuch sie zu beschreiben dann doch bei den Paradoxien des Zen.

Anders als im ersten, stummen Film sind, im Remake, die Theaterszenen, in denen sich nun auch, im Schicksal einer Räuberbande, das der fahrenden Truppe spiegelt, es scheint, als habe an dieser Stelle und an anderen - etwa im weitgehenden Verzicht auf die Ablenkungen ins Komische, für die im ersten Film der kleine Junge sorgte - Ozu die fundamentale Melancholie, das strukturell Unbehauste der Beziehungen herauspräparieren wollen. Es will einem, daher vielleicht, der Umschlag stärker scheinen, vom fröhlichen Beginn in die heftigen Affekte, zu denen sich die Geschichte aufschaukelt bis zum im Spätwerk singulären Ausbruch der Gewalt, der Mann, der die Geliebte demütigt, der Sohn, der den Vater schlägt und verleugnet, zurückstößt. Die rätselhafte Figur, die es fast stets gibt, ein Zentrum außerhalb des Zentrums der Geschichte, ist hier - wie nicht selten - die Mutter, die duldet und schweigt, die Figur, die der Konstellation Schwere gibt gerade dadurch, dass sie am Rand bleibt und unerklärt, das Gegengewicht zu den floating weeds, ein Muster der Bescheidenheit, unbegreiflich eigentlich; und gerade dadurch vielleicht die Essenz der Ozu-Weltanschauung, wenn man danach denn suchen will.

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