Filmtagebuch
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Late Spring (JPA 1949, Y. Ozu)

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Late Spring (JPA 1949, Y. Ozu) Empty Late Spring (JPA 1949, Y. Ozu)

Beitrag von Admin Mo Sep 02, 2019 2:38 pm

gesehen am 17.09.2006 und 23.02.2010 (DVD); 14.02.2011 (Kino: JKI Köln), 5/5

Es beginnt mit den Bildern einer traditionellen Teezeremonie: dem kleinsten Handgriff gilt die größte Aufmerksamkeit. Dazwischen: hohe Baumwipfel, Wälder, Bilder, die wiederkehren. Schnitt auf Professor Shukichi mit seinem Assistenten Hattori, sie beschäftigen sich mit dem deutschen Ökonomen Friedrich List (später hat Shukichi ein Buch von Nietzsche in der Hand). Dieselbe Sorgfalt wie bei der Teezeremonie, will einem scheinen, im Umgang mit den Büchern. Hinein aber platzt der Ableser von den Elektrizitätswerken. Dies der erste Kontrast: das Vergangene, Friedliche, Hochkodierte, eine Ordnung, aus der so leicht nicht zu fallen ist (später: der Besuch im No-Theater von Vater und Tochter) - und auf der anderen Seite: das Ende dieser Ordnung, die Großstadt, der Weg dahin im Zug vorbei an einem Gasometer (das gut und gerne das aus dem letzten Film sein kann).

Gewendet wird die vorgeführte Auflösung einer statischen gesellschaftlichen Ordnung ins Private. Voneinander trennen müssen sich Vater Shukichi und Tochter Noriko, die nach dem Tod der Mutter geradezu symbiotisch zusammenleben. Die Geschichte ihres langsamen und schmerzhaften Abschieds erzählt "Banshun" mit vielen kleinen Motivvariationen: da gibt es den Kollegen des Vaters, der wieder geheiratet hat, schmutzig ist das, findet Noriko; oder ihre beste Freundin, die sich hat scheiden lassen und nun einen denkbar nüchternen Blick auf die Ehe hat. Es kommt zu Konfrontationen, zwischen Vater und Tochter und zwischen ihr und der Freundin: Ozu montiert sie im schroff frontalen, halbnahen Schuss und Gegenschuss. Ansonsten beobachtet er viel aus der charakteristischen Knapp-einen-Meter-über- dem-Boden-Perspektive - hält das Geschehen auf Abstand zum einen, entwirft zum anderen einen klaren, präzise (mit David Bordwell zu sprechen) in die Tiefe inszenierten Raum. Über den wiederum er sich zugleich lustig machen kann: bei einem Gespräch gerät die Orientierung des Gastes durcheinander: in welche Richtung liegt das Meer, in welche Tokio? Hände weisen von hier nach da, die Kamera sorgt im Achsensprung nicht gerade für Klarheit.

Die Narration zerfällt in Szenen. Des Kontrasts: Teezeremonie und Elektrizität, Land (später ein Ausflug nach Kioto) und Großstadt. Des Zusammenseins: vor allem, immer wieder, von Vater und Tochter. Einmal auch ein Ausflug ans Meer von Noriko und Hattori, die Kamera folgt den Rädern auf dem Fuß, setzt die fahrenden Oberkörper bewegt ins Bild und findet auch hier - wie in den Baumwipfeln immer wieder - zum Stilleben: Die Räder stehen auf einer Böschung, Spuren im Sand. Völlig abwesend bleibt der Ehemann, wir hören nur: er sieht aus wie Gary Cooper. Er hat Noriko gefallen, ihren Vater verlassen möchte sie dennoch nicht. Der, erfahren wir, hat ohnehin zur Lüge gegriffen und beabsichtigt keineswegs, selbst wieder zu heiraten. Wenngleich Norikos geschiedene beste Freundin ihm verspricht, ihn oft zu besuchen. Er kehrt zurück ins Haus, das nun seines ist. Er setzt sich hin und schält einen Apfel, vielleicht die berühmteste Ozu-Einstellung. Danach: Das Meer. Und Ende. (Übrigens nie die Schwarzblende, sondern die Wiederkehr der Anfangstextur des Hintergrunds. Zum Verzicht aufs Abrupte gehört auch das.)

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